Philosophie

Das Wort Yoga stammt aus dem Sanskrit, einer indoarischen Sprache, und heißt wörtlich übersetzt „anjochen“ oder „verbinden“, was so viel heißt wie: In Kontakt treten mit der höchsten Wahrheit – sich in Einheit oder Harmonie mit dem wahren Selbst, dem Absoluten und Unveränderlichen, zu befinden. Das Ziel von Yoga ist:

„Sat Chid Ananda“ – Absolutes Sein, Bewusstheit und Wonne

Yoga ist eines der sechs großen indischen Philosophiesysteme. Eine Philosophie mit wissenschaftlichen Aspekten, die sich stark auf den Sinn und den Inhalt des menschlichen Kreislaufs von Leben und Tod und der gesamten Evolution bezieht. Yoga ist auch ein vielschichtiges und bewährtes indisches Übungssystem zur Gesunderhaltung des Körpers und zur Entfaltung des Geistes. Überlieferungen von Yoga sind bis zu ca. 3000 Jahre alt. Im Industal fand man bei Ausgrabungen die ältesten Funde von Figuren in Lotosstellung, welche die vollkommenste Meditationshaltung darstellt. In Kaschmir wurden ca. 3000 Jahre alte Überlieferungen der Shiva-Shakti-Philosophie entdeckt, was gleich zusetzen ist mit Tantra, woraus sich der Kundalini-Yoga entwickelt hat.
Yoga ist Teil des heutigen Hinduismus. Der Hinduismus ist keine Religion im üblichen Sinn, sondern ein erst etwa 150 Jahre alter Begriff, der versucht, die vielen verschiedenen Philosophiesysteme Indiens unter ein Dach zu bringen. „Einheit in der Vielfalt“ heißt es im Yoga und das ist auch bezeichnend für den Hinduismus. Der Hinduismus zeigt eine große Toleranz gegenüber allen Glaubenssystemen der Welt. Im Hinduismus ist jeder Glaube ein Ausdruck von dem Zurückstreben unserer Natur zu dem einen wahren und absolut unveränderbaren Ursprung: zu Brahman, was gleich zu setzen ist mit „Sat Chid Ananda“.

Yogas Citta Vritti Nirodha
„Yoga ist das Zur-Ruhe-Kommen der Gedanken im Geist“

Tadah Drastuh Swarupe Vasthanam
„Dann ruht der Sehende in seinem wahren Wesen“ Yogasutras des Patanjali

Diese Zitate aus den Yogasutras des Patanjali beinhalten die Essenz des Yoga. Das zur Ruhe kommen der Gedanken meint, sich in vollster Konzentration und Präsenz mit dem höheren Selbst zu verbinden. Yoga definiert diesen Zustand als unser wahres Wesen.

Yoga ist auch eine Lebenskunst, eine Art das Leben positiv zu meistern, allen Freuden und allen Herausforderungen mit klarem Geist und mitfühlendem Herzen zu begegnen und aus der Ruhe und Präsenz heraus zu handeln.

„In allen unseren Gedanken und Handlungen sich dem Unendlichen bewusst zu sein, ist eines der höchsten Ziele.“ Rabindranath Tagore

Es haben sich im Laufe der Jahrtausende unterschiedliche Yogaformen entwickelt, die es ermöglichen, für jeden Menschen nach seiner Individualität die richtige Form zu finden.

Die vier Hauptströmungen des Yoga sind:

Karma-Yoga

Karma-Yoga ist der Yoga des bewussten Handelns und des selbstlosen Dienens.
Ganz im Hier und Jetzt, mit voller Konzentration und mit Hingabe zu handeln, ohne Anhaftung an die Handlung selbst oder an die Früchte der Handlung selbstlos zu dienen, ist der Inhalt und das Ziel von Karma-Yoga. Sein Leben in den Dienst anderer zu stellen reinigt das Herz und ist Ausdruck von Liebe.

Bhakti-Yoga

Bhakti-Yoga heißt Liebe und Hingabe an die absolute Wahrheit zu entwickeln. Im Bhakti-Yoga geht es um die Verehrung Gottes, indem wir Gott in Allem entdecken: in jedem Menschen, in der Natur, in der Kunst, in jedem Gegenstand und selbst auch im Hässlichen oder im uns Abstoßenden. Auch geht es darum Freude zu entfalten an Rezitationen, am Singen von Mantras, an Gebeten und sein Herz zu öffnen für die Schönheit eines jeden Augenblicks. Ein Leben zu führen in Vertrauen und Hingabe an eine göttliche Ordnung ist das übergeordnete Ziel.

Jnana-Yoga

Jnana-Yoga ist der Yogaweg der Erkenntnis und der Philosophie.
Jnana-Yoga stellt philosophische Fragen wie „Woher komme ich? Was ist der Sinn meines Lebens? Wohin gehe ich? Gibt es Gerechtigkeit? Was ist Glück?“ Der „Vedanta“ ist ein inhaltlich wichtiger Teil von Jnana-Yoga. Er bezieht sich auf die 108 Upanishaden (letzter Teil der Veden) und bedeutet „das Ende vom Wissen“. Wesentliche Überzeugungen von Jnana-Yoga sind das Modell von Brahman und Atman, der Maya und den 3 Gunas (Sattwa, Rajas, Tamas) und die Lehren von Karma und Wiedergeburt.

Raja-Yoga (beinhaltet Kundalini-Yoga und Hatha-Yoga)

Man nennt ihn auch den königlichen Weg oder Ashtanga, den achtgliedrigen Weg.
Ein Teil von Raja-Yoga ist Kundalini-Yoga. Und ein Teil von Kundalini-Yoga ist Hatha-Yoga.

Raja-Yoga befasst sich mit der systematischen Analyse und Kontrolle des Geistes.
Die „Sutras des Patanjali“ ist eine wichtige Schrift des Raja-Yoga, in der alle wesentlichen Erkenntnisse dieser Yogaform zusammengefasst wurden. Sie beinhalten u.a. Yama – Regeln für den Umgang mit anderen, Niyama – Regeln für den Umgang mit sich selbst, die auch heute noch Gültigkeit haben. Meditation, Reinigungstechniken und Gedankenkontrolle sind Teile dieses Weges.

Kundalini-Yoga

Kundalini-Yoga beruht auf der Shiva-Shakti-Philosophie, die auch Tantra genannt wird und ein Teil von Raja-Yoga ist. Shakti repräsentiert die schöpferische Kraft, die das Universum geschaffen hat. Shiva räpresentiert das reine Bewusstsein, das unveränderliche Absolute im Universum. Shiva und Shakti vereinen sich (kosmische Nacht) und trennen sich (kosmischer Tag) in einem Zyklus, der Jahrmillionen dauert. Im Menschen repräsentiert Shakti das Weibliche und die Kundalinienergie, dargestellt als eingerollte Schlange am untersten Ende der Wirbelsäule. Shiva, als Bild der männlichen Kraft hat seinen Sitz im Ajna-Chakra, dem 3. Auge. Das Ziel von Kundalini-Yoga ist die Vereinigung von Shiva und Shakti zu beschleunigen, was das Erlangen des reinen Bewusstseins und die Befreiung von der Wiedergeburt bewirken kann.

Hatha-Yoga

Hatha-Yoga ist Teil von Kundalini-Yoga und die Yogaform, die wir im Westen meinen, wenn wir allgemein von Yoga sprechen. Hatha-Yoga wurde ursprünglich entwickelt, um das Geschenk des menschlichen Körpers (das Fahrzeug zur Befreiung) zu würdigen und die Gesundheit des Körpers zu gewährleisten. Denn ohne Körper oder mit krankem Körper kann der Yogi nicht meditieren oder Askese betreiben. Hatha-Yoga hat sich im Laufe der Zeit zu einer eigenständigen Yogaform entwickelt. Im Hatha-Yoga (Ha heißt Sonne und Tha heißt Mond) es geht auch hier wieder um die Vereinigung unserer Grundenergien, unserer weiblichen und männlichen Energien, ein Bild, das wir aus dem Tantra kennen und das in vielen anderen Kulturen auch zu finden ist.

Hatha-Yoga beinhaltet 5 Hauptpraktiken

  • Asanas (Yoga-Stellungen)
  • Pranayama (Atemübungen)
  • Shavasana (Tiefenentspannung)
  • Richtige Ernährung
  • Positves Denken und Meditation

Integraler Yoga

Der Integrale Yoga entwickelte sich vor ca. 130 Jahren und ist eine Kombination aus den verschiedenen Yogaformen, insbesondere aus Hatha-Yoga. Heute empfehlen indische Yogameister diese Yogaform. Aufgrund seiner Vielseitigkeit wirkt integraler Yoga sowohl auf der materiell-körperlichen als auch auf der geistig-seelischen und energetischen Ebene. Der gelehrte Sri Aurobindo entwickelte eine Form des integralen Yoga, die nicht nur die Verbindung der Seele mit dem Göttlichen zur Befreiung anstrebt, sondern die Welt mit dem Göttlichen zu durchdringen versucht. Integraler Yoga ist dem Leben und der Welt zugewandt und findet nicht nur in Meditationszentren oder hinter Klostermauern statt. Darum ist diese Yogaform der Yogaweg unserer Zeit.

„Yoga muss dem Menschen angepasst werden und nicht der Mensch dem Yoga.“ T.K.V. Desikachar

Yoga im Westen

Warum konnte Yoga bei uns im Westen so erfolgreich werden? Ich glaube, Yoga gibt uns etwas zurück, was wir zum Teil verloren haben: Innere Ruhe, Ausdauer, körperliche und seelische Kraft und mehr Zufriedenheit und Dankbarkeit mit dem was ist. Yoga ist ein Weg, der uns zu uns selbst führt, zu unserer Mitte, zu unserer Präsenz und zu unserem Mitgefühl. Yoga ist eine Philosophie, die zeitlose Werte vermittelt. Yoga ein sehr variables Übungssystem, das uns zwar einerseits einen Rahmen vorgibt, in dem aber andererseits jeder Praktizierende seinen ganz persönlichen Weg zur Selbstentfaltung finden kann. Diese individuelle Freiheit entspricht unseren westlichen Vorstellungen von der Selbstfindung und Selbstverwirklichung.
Den weisen indischen Meistern ging es darum einen Weg zur Erlangung des absoluten Bewusstseins und einen Schlüssel zur Befreiung aus dem Kreislauf der Wiedergeburten zu finden. Askese und Rückzug von der Welt waren Vorrausetzungen dafür. Wir im Westen sind dem Leben sehr zugewandt und praktizieren Yoga oft aus anderen Gründen. Wir suchen Ruhe und Besinnung vom Alltag, möchten mehr geistige und emotionale Balance finden, mehr körperliche Beweglichkeit oder mehr Konzentrationsfähigkeit erlangen oder wir üben Yoga als ganzheitliche Gesundheitsvorsorge aus. Die Essenz der indischen Philosophie bleibt aber auch bei uns im Westen spürbar. Wir machen auf diesem Weg viele positive Erfahrungen, erleben Veränderungen, die uns unser Leben angenehmer, leichter und freudiger empfinden lassen. Yoga hat positiven Einfluss auf unsere körperliche und psychische Gesundheit. Wir finden durch Yoga auch zu Erkenntnissen, die uns auffordern etwas zu verändern. Das heißt, auch Prozesse der Neuorientierung können durch Yoga ausgelöst oder beschleunigt werden. Aber die positive und ganzheitliche Wirkung von Yoga führt uns letztendlich immer zu mehr Zufriedenheit und Authentizität, denn Yoga bringt uns mehr Klarheit und Bewusstheit im Denken, Fühlen, Sprechen und Handeln.
Yoga ist ein individueller Erfahrungsweg, der von jedem Menschen unabhängig von Alter und körperlicher Verfassung praktiziert werden kann. Die Entwicklung von Achtsamkeit im Umgang mit sich selbst und mit anderen, sowie die Wertschätzung der Einzigartigkeit eines jeden Menschen, stehen bei allen Yogavarianten im Vordergrund. Yoga hat therapeutische Wirkung im Sinne von Selbsttherapie. Yoga hilft uns in schwierigen Situationen bei uns selbst und auch beim anderen zu bleiben, und führt damit zu mehr Frieden und Ausgeglichenheit im menschlichen Miteinander.

„Leben Sie ihr eigenes Leben. Das bedeutet: Dort, wo Sie sind, so, wie Sie sind, mit den Dingen und den Menschen mit denen Sie sind. Stützen Sie sich auf die gegebene Situation und versuchen Sie sich ihr gleichzeitig anzupassen. Sie können dem nicht entgehen.“ Swami Prajnanpad

„Dein Weg ist sehr gut für Dich, aber nicht für mich. Mein Weg ist gut für mich, aber nicht für Dich“. Swami Vivekananda